Blutiger Klee: Roman (German Edition) by Faro Marlene

Blutiger Klee: Roman (German Edition) by Faro Marlene

Autor:Faro, Marlene [Faro, Marlene]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner Verlag
veröffentlicht: 2012-07-08T22:00:00+00:00


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Sie war 13 Jahre alt und stand bis zu den Knöcheln im Wasser. Es schwappte und kräuselte sich, aber es konnte den Schmutz nicht von ihren Füßen waschen. Bekümmert schaute sie auf die dunklen Flecken unter der durchscheinend blauen Oberfläche, die ihre Zehen waren. Seit Juni hatte die Mutter die Schuhe weggesperrt, nur am Sonntag wurden sie hervorgeholt und frisch poliert und durften angezogen werden, für den Kirchgang.

Den Moritz schienen ihre schmutzigen Füße nicht zu stören, zum Glück. Obwohl er selbst die allerfeinsten Schnürschuhe trug, genauso wie seine kleine Schwester. Und im Winter zu Hause in Wien trugen sie sogar Schuhe, die mit Pelz gefüttert waren. Sie hatte es kaum glauben können, Pelz an den Füßen! Den trugen doch sonst nur die Herren auf den Porträts in der Kirche, die eine Heiligenstatue gestiftet hatten oder ein neues Altargewand aus Brokat für den Herrn Pfarrer. Die hatten Pelzkragen unter ihren Gesichtern, die meist nicht allzu freundlich blickten. So war das.

Ein Schwarm aus daumengroßen Fischen kam angeschossen und begann sich für ihre Zehen zu interessieren, aber dann schwammen sie wieder davon. Sogar den Fischlein waren ihre Füße zu schmutzig.

Ob der Moritz in diesem Sommer wieder kommen würde? Mit seiner kleinen Schwester? In das schöne große Haus seiner Tante drüben beim Moos? Sie zog einen ihrer Zöpfe hinter dem Rücken hervor und begann gedankenschwer an seiner geringelten Spitze zu knabbern. So vieles war anders geworden in der letzten Zeit, so vieles hatte sich verändert. Aber sie hatte keine Ahnung, warum. Die Erwachsenen tuschelten und wisperten, aber keiner redete mit einem Kind, noch dazu einem Mädchen, das sowieso als viel zu neugierig verschrien war. Frag nicht immer so viel, mach lieber deine Arbeit! Das bekam sie zu hören, tagein, tagaus. Aber wenn man schon nicht mit ihr redete, dann musste sie sich eben ihre eigenen Gedanken machen. Irgendetwas war anders. Manche schienen so aufgeregt und erwartungsvoll, als ob morgen schon das Christkind kommen würde. Doch ein paar andere – die viel weniger waren im Dorf – schlichen umher, als ob sie Angst hätten, bloß wovor?

Gestern Abend hatte sie beim Strümpfestopfen die Mutter gefragt. Nie hatte sie mit der Mutter über den Moritz gesprochen, da war immer so eine Scheu gewesen, so eine Ahnung, dass die Mutter das nicht gerne hören würde. Aber gestern hatte sie es einfach nicht mehr länger ausgehalten. »Wird der Moritz mit seiner Familie auch in diesem Sommer wieder kommen«, hatte sie die Mutter gefragt. Die hatte sich über einen alten Socken vom Vater gebeugt und fast zornig den Wollfaden durch das riesige Loch an der Ferse gezogen. Dann hatte sie gesagt: »Es wär besser für uns alle, wenn sie’s nicht täten.« Und sie, die tapfere, neugierige Kathi, die höher kraxeln und weiter spucken konnte als alle Buben, hatte sich nicht getraut, noch weiter zu fragen. Still waren sie nebeneinandergesessen, bis die Mutter endlich das Nähzeug wegräumt hatte und in den Stall hinausgegangen war.

Warum sollte der Moritz besser nicht kommen? Sie hatte schon so lange darüber nachgegrübelt, dass ihr richtig der Kopf wehtat.



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